Der Zimmerschlüssel

Unsere bleiernen Glieder liegen ausgeglüht nebeneinander, um entspannt letzte Fingerspiele über sich ergehen zu lassen.

Müde zucken die Lider unter deinen heißen, klebrigen Lippen, die dankend und tölpelhaft unzärtlich den nahenden Schlaf küssend verzögern wollen. Deine Hand sucht wie zufällig nach dem verschollenen Bettzipfel, der deine zarten Beine vor der winterlichen Kälte schützen soll, die hinter dem geöffneten Fenster deinen letzten, harten Seufzer erwartend dem Ende unserer zweisamkeitlichen Spiele harrte, um uns gleich darauf unbarmherzig zu überfallen, zu ernüchtern.

Meine Unfähigkeit zu reagieren, zwingt dich, dem kalten Schauer ein Ende zu bereiten, indem du hüpfend dem Fenster dich näherst, um es mit burschikoser Geste zuzustupsen. Dann kniest du dich vor das zerwühlte Bett, um spitzbübisch nach meiner erloschenen Lust zu tasten, küßt mich heiß und ich weiß wieder wie sehr wir uns haben.

Am nächsten Morgen bemerken wir, daß wir nicht mehr allein sind, zu uns hat sich der Hunger gesellt, der sich nach 3 Liebesnächsten und 3 durchschlafenen Tagen recht spät bemerkbar macht.

Keine so glückliche Idee, den Zimmerschlüssel des Appartements aus dem Fenster zu werfen, zumal die Vermieterin nicht vor Montag zurück sein will. Ganz abgesehen davon, daß man sich in dieser gottverlassenen Gegend nicht einmal gegen Verbrecher zur Wehr setzen könnte.

Du, allerdings, findest deinen Drang nach romantischem Abenteuer erfüllt und überfällst mich aufs Neue mit deinem unbändigen Wesen, kein Gedanke an Gegenwehr.

Am 5. Tag öffnet sich die Haustür. Beim Blick aus dem Fenster bemerke ich einen orangefarbenen Lieferwagen ohne Aufschrift. Mit dem Gedanken an Handwerker oder Monteure des Elektrizitätswerkes, lasse ich von meiner Unruhe ab und widme mich dem Verlangen, meinen brennenden Magen endlich füllen zu dürfen. Ob mein klopfen gehört wird?

Offensichtlich gehen seltsame Dinge im Hause vor und so langsam bemächtigt sich grobe Neugier meiner. Lauernd sitzen wir auf dem Bettrand, zur Tür starrend und harrend der Dinge die da kommen sollen.

Ein zärtlichtrauriger Blick verrät dein Bedauern über die Beendigung dieser himmlischen Stunden und Tage. Lange Zeit ist kein Laut zu vernehmen, bis plötzlich ein gewaltiger Schlag das ganze Haus erzittern läßt. Der Angriff richtete sich gegen unsere Zimmertür, deren Holzfüllung mit ungemein brutaler Gewalt im nächsten Moment ohrenbetäubend krachend in‘s Zimmer fliegt.

Deine großen, angsterfüllten Augen schmerzen mich beinahe mehr, als deine Fingernägel, die meinen Arm zu durchbohren scheinen. Im nächsten Augenblick hat sich die Qualmwolke verzogen und durch die geborstene Tür treten drei Gestalten mit schweren Schutzanzügen, ein Geigerzähler knattert wie wild.

*Hier klicken zum Start des Gedichtbandes -> “Kopfgeburt - mit der Glocke am Kragen” von Jens Thieme, 1992.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

https://jens.thie.me
Previous
Previous

heimkehrer

Next
Next

in mir