Vater. Mein Held.
Hintergrund Entwicklungen 17. Juni 1986
Inzwischen in der Stasi-Zentrale, Abteilung XX (zuständig für "Staatliche Angelegenheiten, Kultur, Kirchen, Untergrund").
Offenbar gab es einige Gründe (von der Stasi am 7. September 1985 formuliert), nicht mit dem westdeutschen Minister für innerdeutsche Beziehungen über meine Freilassung zu verhandeln:
Mein Vater hatte für ein staatliches Unternehmen gearbeitet (wie die meisten Menschen im Land), aber in einer angesehenen Abteilung (er war Messebauer und durfte auf westlichen Messen arbeiten), und auf gar keinen Fall würde jemand zugeben, dass seine "Vorbildorganisation" in irgendeiner Weise gefährdet war.
Nach all dem Ärger, den ich während meiner Inhaftierung gemacht hatte, sahen sie sich nun gezwungen, meinen Fall erneut zu prüfen, um größere Unruhen zu vermeiden, wenn sie mich im Osten freilassen würden.
In diesem Dokument rät die Stasi-Zentrale, die ursprünglichen Gründe nicht aufrechtzuerhalten, weil mein Vater sich weigerte, mich zu denunzieren.
Daraufhin wurden ihm alle Rechte und Mitgliedschaften entzogen, und er verließ das staatliche Unternehmen, um für einen privaten Handwerksbetrieb zu arbeiten.
Es ist zwar unfassbar pervers, von meinem Vater zu erwarten, dass er seinen eigenen Sohn denunziert und deshalb annimmt, dass er mich für den Rest meines Lebens in diesem Land gefangen hält, aber es ist auch ironisch, dass die Stasi diese umgekehrte Entscheidung traf und schließlich beschloss, am Jahrestag des Aufstands von 1953 in Ostdeutschland, dem 17. Juni, mit dem westdeutschen Minister für innerdeutsche Beziehungen über das Lösegeld zu verhandeln.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.