Das Gras ist grüner
Freiheit 23. Juli 1986
Der Bus hält.
Zwei Männer steigen ein.
"Willkommen in der Bundesrepublik Deutschland".
Regierungsbeamte des westdeutschen Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen.
Sie erklären die nächsten Schritte und Organisatorisches, die nächste Station: Bundesnotaufnahmelager Gießen.
Sie verteilen Briefe an die meisten von uns.
Einige von ihnen sind älter als ein Jahr.
Ich bekomme drei Briefe von meinen Freunden.
"Willkommen in der Freiheit, wenn du diesen Brief erhältst, bist du frei... warum kommst du nicht zu uns, wir können Dich in Deiner Anfangszeit mit Erfahrung und Ideen unterstützen... die Wirtschaft ist gut, die Arbeitslosenquote ist niedrig..."
Eigentlich wollte ich nach West-Berlin gehen.
Viele meiner Kameraden hatten geplant, dorthin zu gehen.
Ich werde mich wohl in den nächsten Tagen entscheiden müssen.
Die Fahrt dauert weitere 2-3 Stunden.
Als ich aus dem Bus steige, scheint die Sonne.
Meine ersten Schritte als freier Mann, meine erste Berührung von frischem Gras seit 16 Monaten.
Und dann geben sie uns Sandwiches.
Frisch gebackene Brötchen mit Kopfsalat, Salami, Tomaten und Käse.
Das ist das köstlichste Essen, das ich in meinem ganzen Leben gegessen habe.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.