Ohne mich

Stasi Haft 27. Juli 1985

Vernehmungsraum.
"SG 1240".
"Setzen!"

"Wenn Sie sich hier benehmen, wird Ihnen nichts passieren.
Wenn Sie sich nicht benehmen, werden Sie eine schreckliche Zeit haben."
Ich bin mir nicht sicher, was er damit meint.

Die Wachen tragen marineblaue Uniformen.
Unsere sind dunkelgrün mit gelben Streifen.
Der Typ ist so kalt und distanziert, wie ein Mensch zu einem anderen maximal sein kann.

"Warum sind Sie hier?"
Ich schätze, er will mich einordnen.
"Sind Sie ein Unruhestifter SG1240?!"

Zwei Stunden Geschichten erzählen.
Warum sollte ich mich zurückhalten?
"Ich pfeife auf Ihre Regeln!

Dies ist nicht mein Land. Ich habe nicht darum gebeten, hier geboren zu werden und zwischen euren Zäunen und Landminen an den Grenzen eingesperrt zu sein. Ich bin ein freies menschliches Wesen und werde frei leben und meine Meinung sagen. Nur zu, vergeudet eure Leben, es ist mir egal. Meines wird hier nicht verschwendet werden. 

Natürlich werde ich mich mit Gleichgesinnten zusammentun.
Nein, ich werde mich niemals wieder eingliedern lassen!
Lieber sterbe ich!"

Vernehmungs- und Vorstellungsprotokoll aus meinen Stasi-Akten, die ich in den 90er Jahren erhalten habe.
"Sehr stur...lehnt Wiedereingliederung ab...könnte wieder gegen die staatlichen Gesetze handeln...will negativ auffallen...explizit arrogant und provokant...lehnt die Ordnung im Gefängnis ab...kümmert sich nur um Gleichgesinnte und Themen...eloquent...könnte versuchen, über die Einrichtung und Probleme zu berichten..."

Anders als die Schubert-Bande versucht er nicht, mich herauszufordern oder zu 'coachen'.
Das ist eine Probe.
Ich bin ein bitteres Exemplar!

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.