Raus
Stasi Haft 17. Juli 1986
Alles wirkt wie in Zeitlupe.
Ich bin wie in eine unsichtbare Schutzfolie eingewickelt.
Impulse, die von aussen kommen, nehme ich mechanisch wahr.
Gesichtslose Wachen führen mich in einen fensterlosen Raum im Untergeschoss.
Drei Beamte sind mit Papierkram beschäftigt, ich sitze auf einer Holzbank.
Es werden keine Worte gewechselt, ich bin wie betäubt vor Überraschung.
Ich habe in den Gängen nicht darauf geachtet, ob heute noch mehr Kameraden mitgenommen werden.
Es ist ein Donnerstag und in den letzten Wochen hatte der Donnerstagsfahrplan gehalten.
Warum gibt es hier unten keine anderen Gefangenen oder sind wir nur abgeschirmt?
Werden sie mich für die verbleibenden Wochen in ein anderes Gefängnis bringen und mich trotzdem nach Hause entlassen?
Oder ist dies tatsächlich der letzte Schritt, um mich über die Grenze in den Westen zu bringen?
Waren die Anwälte und die westdeutsche Regierung am Ende erfolgreich?
Ein Wachmann nimmt einen großen Umschlag, stopft einige Dokumente hinein und geht zur Tür hinaus.
Ein anderer nimmt eine Akte und weist mir den Weg zur Tür.
Wir sind auf dem Weg nach draussen.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.