Raus

Stasi Haft 30. August 1985

Ich habe den teuersten Einkauf von Matthias mit den Kameraden geteilt.

Zwei Kilo feinster Darjeeling-Tee.

Acht Packungen.

 

Das Frühstück alleine ist frustrierend.

Ausreiseantrag nach der Schicht.

Mit dem schmerzenden Arm kann ich kaum schreiben.

 

Es ist meine dritter Antrag, diesmal offiziell an die direkteste Staatsbehörde.

Ich möchte nur sicher sein, dass ich laut und deutlich gehört werde.

Was immer ich hier schreibe, wird gründlich gelesen, beurteilt und weitergeleitet.

Einer von drei "Ausreiseanträgen", die in der DDR nur einem Zweck dienten: bekannt zu geben, dass man nicht bereit ist, sein Leben in diesem Land fortzusetzen. Er stigmatisierte Menschen und machte sie anfällig für Repressionen, Strassensperren und die Überwachung durch die Stasi. Offiziell hätten diese Anträge nicht gestellt werden müssen, da die DDR alle internationalen Verträge zur Gewährleistung von Freiheit und Unabhängigkeit ratifiziert hatte. Natürlich wusste jeder, dass dies vom Regime ignoriert und verletzt wurde.

Diese drei Seiten werden also in den Händen eines Stasi-Offiziers landen.

Sie werden ganz oben in meiner Akte liegen, wenn sie zur geprüft werden.

Ich muss eine laute Belästigung für sie sein.


Ich werfe den Brief in das Büro der Wache im Erdgeschoss.

Auf der Suche nach dem Schachmeister.

Ich könnte eine Herausforderung gebrauchen.

"Sie haben ihn heute Morgen rausgeholt, der Glückspilz."

So viel zu einer ernsthaften Schachpartie.

Und so viel zu meiner Stimmung.

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

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