Baby Schubert

Stasi Haft 17. April 1985

Baby Schubert ist zurück.
Wir setzen das alte Spiel fort.
Familiengeschichte, Schulgeschichten.

Ich fühle mich ziemlich erschöpft.
An das Nichtessen bin ich irgendwie gewöhnt.
An die Lichtblitze auch.

Mehr oder weniger.

Kein Streit heute.
Er gibt mir keinen Grund.
Keine Themen, die mich wütend machen.

Müssen sie nicht genug Beweise vorlegen, um mich länger als 24 Stunden festzuhalten?
Ich frage ihn.

"Sie haben die Beweise geliefert, als Sie hereinkamen ... und das 3-seitige Manifest.
Wir werden Sie hier behalten, bis Sie angeklagt werden."
"Und dann?"
"Lassen Sie uns nichts überstürzen."

Baby Schubert ist Ende 20, Anfang 30.
Sie müssen ihm immer noch die leichten Fälle geben.
Ich wette, er fährt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Er muss sich sein erstes Auto verdienen.

Blond.
Schütteres Haar.
Rundes Gesicht, blaue Augen.
Baby.

"Wissen meine Eltern Bescheid?”
"Diese Information habe ich nicht."
"Wann Sie es wissen?"
"Wenn ich es weiss."

Mini-Sitzung über das 3-Seiten-Manifest am Nachmittag.
Wann geschrieben, mit wem besprochen.
Hat jemand Kopien?
-Schweigen

"Ich weiss nicht, woher Ihr Hass auf unser Land kommt."

Jetzt gäbe es einen Grund zum Streiten!
Aber bevor ich mich aufwärme:
"Heben wir uns das für ein anderes Mal auf.
Wie nah stehen Sie Ihren Grosseltern...?"

Solange ich Wasser trinke, ist mein Magen freundlich.
Ich gehe öfter auf die Toilette.
Die Mütze des Wachmanns erinnert mich daran, wo ich bin.

Stasi-Soldaten kennzeichneten ihre Zugehörigkeit an ihren Mützen. Das ganze Land hatte Angst vor dieser Textzeile.

Wird das alles Wochen, Monate oder Jahre dauern?

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.