Duschen
Stasi Haft 18. April 1985
Wie sich Menschen doch an neue Umgebungen anpassen.
Die kalte, graue Zelle fühlt sich wie ein kleines Zuhause an, wenn sie mich nach langen Verhörtagen hier absetzen.
Der Weg zu und von Baby Schuberts Zimmer ist mir inzwischen vertraut.
Selbst die Schwäche, die heute ausgeprägter ist, fühlt sich irgendwie angenehm an.
Sie gehört mir.
Ich habe sie geschaffen.
Ich habe die Kontrolle über sie.
Donnerstag.
Duschtag.
Erster Tagesordnungspunkt.
Ein altes Stück Seife.
Schon viele Male benutzt.
Es ist geräumiger hier als meine Zelle.
Warmes Wasser.
Ich habe zwei Minuten Zeit.
Die längste Dusche aller Zeiten.
Halb nass klettere ich in meine Uniform.
Zu meiner Überraschung gehen wir an meiner Zelle vorbei.
Zwei Zellen weiter werde ich durch die Zellentür geschoben - Doppelzelle.
Rechts auf dem Bett sitzt einer.
"Dirk."
"Seit wann bist du hier."
"Drei Monate."
Mein Gott!
Ich werde wieder abgeholt von einem Callboy.
Wieder Baby Schubert.
"Warum ist jetzt ein anderer Typ mit mir?"
"Das ist ein normaler Vorgang. Und Sie brauchen Gesellschaft."
Will ich das?
Welche Art Gesellschaft?
Eure Art?
Das wird lustig!
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.