Dunkles (Er)wachen

Stasi Haft 23. Januar 1986

Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.

Die absolute Kälte betäubt den Schmerz.

Muss in 5-Minuten-Sitzungen geschlafen haben.

 

Die längste Nacht meines Lebens.

Das ist auch sehr schmerzhaft.

Die Decke gefror.

 

Die Wachen schlossen das Bett hoch, als es noch dunkel war.

Hinter dem Fensterschacht gibt es ein wenig Tageslicht.

Zumindest kann ich die Tageszeit ungefähr abschätzen.

 

Eigentlich spielt das keine grosse Rolle.

Zwei Scheiben altes Brot mit Schmalz.

Ich bin durchgefroren, erschöpft und zerschunden.

 

Der Holzbrett-Hocker ist hart.

Aber wenigstens kann ich meinen Kopf auf der Tischplatte ausruhen.

In den Katakomben war die ganze Nacht und am Tag kein einziges Geräusch zu hören.

 

Ich freue mich nicht auf die nächste Nacht.

Ich hoffe nur, dass ich durch Erschöpfung in längere Schlafzyklen falle.

Die Decke trocknet nicht, meine Kleidung auch nicht und die Wände und der Boden auch nicht.

 

Kratzspuren an der Wand unterhalb des Fensterschachts.

Ich kann darin keinen Sinn erkennen.

Langeweile oder Verzweiflung?

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

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