Eingesperrte Toilette

Stasi-Haft 22. Januar 1986

2x3 Meter.

Gitter.

2x1.5 Meter.

Gitter.

2x1 Meter.

Tür.

Ich bin also in einem Gefängnis - eingesperrt, im Keller, hinter einer verschlossenen Zellentür, hinter einem verschlossenen Gitter, das eine Toilette einschliesst, einem weiteren verschlossenen Gitter, und lebe auf einer Fläche von 2x3 Meter, in völliger Dunkelheit.

Mit anderen Worten: Ich bin zusammen in einer Zelle mit einer Toilette in einem Käfig eingesperrt.

Was hat die Toilette getan?

Ich kann nicht auf die Toilette gehen, ohne dass der Wärter meine Zelle aufschliesst, das Gitter von aussen entriegelt, es wieder verschliesst und das Gitter von innen entriegelt, damit ich auf die Toilette gehen kann.

Das Problem ist, dass die Wachen hier unten nur zweimal am Tag auftauchen.

Ich muss also gehen, wenn sie das Essen bringen.

Ich hatte mein erstes Abendessen.

Zwei Scheiben verdorbenes Brot mit Schmalz.

Kein Salz, ein Löffel zum Verteilen des Schmalzes und eine Tasse lauwarmer Tee.

Niemand hat mich verprügelt.

Ich schrie und klopfte, keine Antwort.

Entweder bin ich allein oder die Wände sind zu dick.

Es gibt ein Holzbrett als Bett, das tagsüber fest an der Wand aufrecht stehend verschlossen ist.

Es kann also nur in der Nacht benutzt werden, nachdem der Wächter es heruntergelassen hat.

Es gibt keine Matratze, also muss ich die eine Decke benutzen, um darauf zu liegen.

Es ist eiskalt hier drinnen.

Das Liegen auf der Decke ändert nichts an der Härte des Holzes.

Die Decke als Decke zu nutzen, statt als Unterlage, bringt auch nichts, sie hält die Kälte nicht auf.

Vielleicht schlafe ich später vor Erschöpfung durch das Frösteln und Zittern ein.

Meine Seite tut nach zehn Minuten weh, also muss ich mich zehn Minuten lang drehen, bis die andere Seite zu sehr schmerzt.

Auf dem Rücken liegend funktioniert es genau zwei Minuten lang, und ich spüre das Holz, als ob es in mich hineinwachsen will.

Das wird die schrecklichste Nacht meines Lebens.

Wie lange werden sie mich hier unten festhalten?

Ist es so ruhig, weil Menschen gestorben sind?

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.