Gips
Stasi Haft 26. September 1985
Schreckliche Nacht.
Der Arm ist erhitzt und entzündet.
Wenn ich ihn berühre und bewege, fühlt es sich innen wie bröselndes Sandpapier an.
Der Arzt ist nicht amüsiert, mich wiederzusehen.
"Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es sich bei dieser Art von Arbeit um eine gewöhnungsbedürftige Situation handelt".
Natürlich sind sie darauf trainiert, jeden wegzuschicken, der seinen Kopf nicht in einer Tüte vorbeibringt.
Und da eine junge Krankenschwester im Zimmer ist:
"Du masturbierst wahrscheinlich zu viel."
Die Krankenschwester kichert.
"Das ist nicht lustig!"
"Schnauzen Sie mich nicht an, Gefangener!"
"Fassen Sie das verdammte Ding endlich an!"
Sein Gesicht verfinstert sich, als ich meine Hand zur Berührung bewege.
Die nächsten Minuten vergehen in völliger Stille.
"Du wirst einen Gips tragen."
Offenbar habe ich mir die Unterarmbeuger teilweise gerissen.
"Dann hat Ihre Salbe wirklich gute Arbeit geleistet."
Es ist ein grösseres Unterfangen, als ihm lieb ist.
"Du bekommst morgen früh deinen Gips, bleib ruhig."
"Wie lange reden wir?"
"3 Monate".
Nun, so viel zur Arbeit.
Mir wurde gesagt, dass ich morgen umziehen werde.
"Sie werden die Wochentage in Einzelhaft verbringen".
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.