Handeln für (gutes) Essen
Stasi Haft 31. Juli 1985
Das Frühstück ist hier schlecht.
Drei Scheiben hartes Graubrot.
Zwei Löffel Schmalz mit Salz und Pfeffer.
Das Mittagessen ist schlimmer.
Fast täglich überkochter Krauteintopf.
Zwei Scheiben desselben alten, harten Graubrotes.
Das Abendessen ist nicht viel besser.
Gleiches Brotregime wie oben.
Zwei Arten von fettiger, geschmackloser Wurst.
Es gibt einen Besuch pro Monat.
Die Besucher dürfen 2 kg Lebensmittel mitbringen.
Einige Gefangene tauschen Lebensmittel aus den Care-Paketen anderer.
Manche sagen, dass die Kriminellen in der Küche seltsame Dinge mit dem Essen anstellen.
Einige vermuten, dass die Stasi die Lebensmittel für pharmazeutische Tests an den politischen Gefangenen verwenden könnte.
Letzten Endes muss ich Wege finden, bessere Lebensmittel zu beschaffen, denn ich kann mir nicht vorstellen, mich monatelang von diesem Mist zu ernähren.
Letzten Sonntag hatten wir ein wahres Gourmetfest.
Alle drei Mahlzeiten in der Zelle: alle haben das Beste geteilt, das sie hatten.
Nutella, frisches Obst, schwedisches Knäckebrot, Corned Beaf, Schokomilch.
Das Prinzip ist einfach: man verbindet sich mit einem Kumpel, einem ‘Spanner’, man spannt zusammen.
Wer einen Spanner hat, hat doppelt Kraft, Ausdauer, doppelt gutes Essen.
Mit Geld kann man eh alles kaufen.
Es gibt keinen Kaffee oder Alkohol, aber Tee, viel Tee.
Die Leute schmuggeln, kaufen und handeln mit Tee aller Art.
Echtes Geld ist 5 Mal mehr wert als Gefängnisgeld.
Wenn ich also das lausige Essen umgehen will, muss ich zu echtem Geld und gutem Tee kommen.
Dazu muss ich meine Eltern einspannen.
Ab dem nächsten Besuch geht’s los.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.