Transport und Tee
Stasi Haft 4. August 1985
Ich habe wieder angefangen, Schach zu spielen.
Heute, am Sonntag, veranstalten wir ein kleines Turnier.
Am am Vormittag habe ich drei Spiele gewonnen, bin aber nach dem Mittagessen ausgeschieden.
Ein Mithäftling bat mich, ihm die Haare zu schneiden.
"Sie werden es nicht abschneiden, wenn du es kurz genug trägst."
Ich muss talentiert sein: Ich habe drei weiteren Jungs die Haare geschnitten, nachdem sie das Ergebnis gesehen hatten.
Letzten Donnerstag riefen sie einen der Kameraden aus unserer Zelle.
"SG ####: Sachen packen!"
Aufregend!
Er war 8 Monate lang hier drin.
Einschliesslich der vorgerichtlichen Stasiverhöre hatte er 11 seiner 16 Monate verbracht.
Derselbe Paragraph: §214, ich könnte also im März, wenn nicht früher, hier raus sein.
Es war eine emotionale Szene, als er seinen ‘Spanner’ umarmte und uns zum Abschied zuwinkte.
Sie versuchen, die Leute so schnell wie möglich aus der Zelle zu holen.
Es bleibt nicht viel Zeit, um sich zu verabschieden.
Jeder bleibt mit einem leeren Gefühl und viel Hoffnung zurück.
Sein ‘Spanner’ hat sein Essen, seinen Tee und sein Geld geerbt.
"Ich werde es nicht mehr brauchen."
Jetzt ist er wieder allein und muss das Geld klug ausgeben.
Oder sich mit einem neuen Spanner zusammentun.
Ziemlich effektives Konzept.
Wenn man jemandem wirklich vertraut, zahlt man sein gesamtes Geld auf ein gemeinsames Konto ein.
Das Essen wird geteilt, was toll ist, wenn die beiden im Abstand von zwei Wochen Besuch bekommen.
Kaufentscheidungen werden gemeinsam getroffen, z. B. was verkauft wird, um was zu kaufen oder wie viel man für Tee ausgibt.
Hier gibt es großartigen Tee und es wird ständig gehandelt.
Ein alter Armee-Essenscontainer wird verwendet, um den Tee für alle zu kochen.
15 Liter werden mit einem selbstgebauten Tauchsieder beheizt.
Die Wachen dulden den Lebensmittelbehälter.
Aber mir wurde gesagt, ich solle den Tauchsieder immer verstecken.
Das verstösst gegen die Sicherheitsvorschriften hier drin, und einige Jungs haben sich Einzelhaft eingehandelt, als sie erwischt wurden.
Der Tauchsieder besteht ganz einfach aus zwei Drähten und zwei Eisenplättchen.
Während jemand Wache steht, schrauben zwei Jungs die Glühbirne raus und schliessen sie an die Fassung an.
15 Liter bekommt man so in ca. zehn Minuten heiss.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.