MEWA
Stasihaft 5. August 1985
3:30 Uhr.
Der Wecker schrillt.
Heute werde ich mit den Jungs aufstehen müssen.
Montag, erster Arbeitstag.
Schlafwandelnde Gestalten beim Frühstück.
Ein grosser Gefängnisbus mit Eisengittern vor den Fenstern wartet auf dem Innenhof.
Die Fahrt durch die Stadt dauert 15 Minuten.
Das ist das erste Mal seit Monaten, dass ich eine Strasse und Zivilisten sehe.
Und ich bin wirklich sehr froh, in diesem Bus zu sitzen und nicht draussen!
Der Bus hält an einer großen Fabrikhalle.
Ich erhalte den ganzen Morgen Sicherheitsanweisungen.
Ich bin sicher, dass ich mich nicht mit dem Vorarbeiter anfreunden werde!
Sie nennen es MEWA.
Möbelherstellung.
30 % werden von Gefangenen betrieben.
Unser Teil ist sorgfältig vom Rest des Geländes getrennt.
Überall gibt es Doppeltürsysteme.
Sogar der Vorarbeiter ist bei uns eingeschlossen.
Ich kann nicht verstehen, warum jemand so einen Job haben will, Vorarbeiter für politische Strafgefangene, Zwangsarbeit beaufsichtigen.
Mittleres Alter, nicht das schärfste Werkzeug im Schuppen..
Vielleicht bezahlen sie gut.
Die Arbeit ist dumm und einfach: Schubladenführungen aus Metall stanzen.
Riesige, Jahrzehnte alte, dunkelgrüne Stanzmaschinen.
Ich soll 2200 Teile pro Schicht schaffen, in der ersten Stunde habe ich 80 geschafft.
Das wird interessant werden!
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.