Hasslampe
Stasi Haft 24. April 1985
Ich hasse diese Lampe!
Mein Schlaf ist bestenfalls oberflächlich.
2-3 Sekunden volle Pulle jede Viertelstunde.
Viereckige Glasscheibe über der Tür.
Einer der Callboys schaltet sie von aussen ein.
Man kann seinen Atem hinter der Tür hören, wenn er durch das Guckloch schaut.
Heute bin ich stinkig.
Gut, dass Bully Schubert nicht hier ist.
Dirk’s Vernehmer hat auch einen Namen: Schubert. Kein Scherz.
Baby Schubert fragt wieder nach meiner Schulzeit.
Und nach dem Tag, bevor ich hierher kam.
Und nach meinen Eltern.
"Warum machen wir das?"
"Um Ungereimtheiten aufzudecken."
"Sie glauben also, dass ich lüge?"
- Schweigen
Die berühmte Frage nach den 3-seitigen Manifestkopien kommt immer wieder auf.
Sie haben wohl Angst, dass sie es morgen in der BILD-Zeitung finden.
Oder sie wollen eine zusätzliche Anklage.
Fuck! ... DAS ist es!
Bin ich zu müde oder macht das Sinn?
Zusätzliche Anklage ist gut für SIE.
Wollen sie mich aus dem Land haben oder fertigmachen?
Ich muss das mit jemandem besprechen.
Dirk ist ahnungslos.
Also Mario.
Weitere sich wiederholende Fragen.
Abends zurück in der Zelle.
Wandklopfen mit Mario durch die Nacht.
§214 ist eindeutig: "Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit".
Das habe ich "verdient", als ich den Brief abgegeben und den Hungerstreik durchgeführt hatte.
2 Jahre, mehr oder weniger.
Aber was, wenn § 219 dazu käme?
"Ungesetzliche Verbindungsaufnahme".
"Drohen alleine" wäre mit ziemlicher Sicherheit die gleiche Strafe wie "durchführen".
Und sie hassen den Westen.
Nichts unter 3 Jahren.
5 Jahre also zusammen.
Eine weitere unruhige Nacht
Gedanken und dieses Licht.
Wut und Kummer.
Ich hasse diese blöde Lampe!
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.