Nie endende Warterei

Stasi Haft 27. Mai 1986

Wieder massiv besorgt.

Ich habe zu viel Zeit zum Nachdenken.

Die komplette Stille hier ist zermürbend.

Gibt es einen Grund für all das?

Warum spricht niemand mit mir?

Werde ich meine Kameraden jemals wiedersehen?

Ich habe noch weniger als drei Monate zu sitzen.

Es ist sehr selten, dass jemand kurz vor Ablauf seiner Strafe auf Transport geht.

Ich habe 5 oder 6 Personen gesehen, die bis zu ihrem letzten Tag geblieben sind, um wieder zurück ins Land gelassen zu werden.

Das wäre mein grösster Albtraum.

Was würde mit meinem Leben geschehen?

Würde ich jemals aus dem Land rauskommen?

Offenbar plante die Stasi, mich wieder ins Land zu lassen. Diese Notiz enthält eine Warnung, sich auf Überwachung und andere Massnahmen vorzubereiten, um weitere Aktionen nach meiner Entlassung zu verhindern. Natürlich wusste ich in der Einzelhaftzelle nichts davon.

Meine Eltern sind gestern wieder einmal vergeblich gekommen.

Ein weiterer Besuchstag wurde ihnen gestrichen.

Hätten sie Neuigkeiten von den Anwälten?

Ich kann meine Konzentration nicht länger als ein paar Minuten aufrechterhalten.

Tag für Tag diese zermürbenden Fragen.

Und weiter warten...

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.