Opa

Stasi Haft 16. August 1985

Elternbesuch heute.

Ausziehen und durchsuchen.

WTF?

 

"Hast du Angst, dass ich etwas von deinem verdorbenen Essen rausschmuggle?"

"Sie haben eine Stunde Zeit, Geschenke bis 4kg.”

Ich kann spüren, wie mein Herz in meinem Kopf pumpt.

 

Mama trägt ein gelbes Sommerkleid.

Ich kann nicht aufhören, sie zu drücken.

Papa ist entspannt.

 

"Du hast graue Haare"

"Nur eine Ecke, Mama."

Sie sehen ängstlich aus.

 

Es wird besser, wenn ich über meine Freunde hier spreche.

Wir finden sogar etwas zum Lachen.

Dann die schlechte Nachricht:

 

Mein Grossvater war am 25. Mai gestorben.

Jetzt ist mir klar, warum Papa am Boden zerstört war, als er mich nur drei Tage später sah.

Sie wollten es nicht schreiben, aber mit mir darüber reden und für mich da sein, wenn sie es taten.

Grossvater Kurt bei der Familienfeier, bei der ich ihn zuletzt gesehen hatte. Er starb am 25. Mai 1985, während ich bei der Stasi inhaftiert war. Es gab natürlich keine Möglichkeit, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Ruhe in Frieden Opa.

"Allen anderen geht es gut!"

Sie erzählen mir von ihren neuen Freunden.

Über einen Kollegen hatten sie zwei Ehefrauen von politischen Gefangenen kennengelernt.

Auch das macht Sinn.

Als Mama anfing, ihre Buchstaben bunt auszumalen.

Sie schöpfte neue Hoffnung und hatte die Möglichkeit, die Situation besser zu verstehen.


"Wann glaubst Du, dass Du entlassen wirst?"

"Ich hoffe, vor dem Frühling!"

"Nicht nach Hause!!!"

Nein - nicht nach Hause...

Ich kann meine Hoffnung nicht verbergen.

Das muss ihnen höllisch wehtun.

"Wir haben Dir Schinken, Obst und ein paar Süssigkeiten mitgebracht."

Ein Wachmann kontrolliert das Paket und seinen Inhalt eher oberflächlich.

"Sie haben uns vorher gefilzt, haben sie Angst, dass wir ein Fluchtfloss reinschmuggeln?"

Da ist er wieder, der Humor meines Vaters!

"Hört zu: Ich muss aufhören, für diese Idioten zu arbeiten. Könnt Ihr das nächste Mal Schokoladenpulver mitbringen und Geld darin verstecken? Ich kann es gegen alles eintauschen, was ich hier brauche."

"Gib Oma bitte eine stundenlange Umarmung von mir!"

Die Stunde verging viel zu schnell.

Tränen.

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

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