Spanner

Stasi Haft 17. August 1985

Zwei geräucherte Schweinslenden ohne Knochen.

Zwei Brote Pumpernickel Roggen gezüchtet.

Vakuumversiegelter Käse.

 

Fünf Tafeln Schokolade.

Fünf Tüten leckere Kekse.

Nur zwei Äpfel, der Rest wiegt zu viel.

 

Ich habe ein Schweinsfilet mit den Kameraden geteilt.

Derjenige, der Besuch bekommt, teilt den wertvollsten Gegenstand aus dem Care-Paket mit der Gruppe.

Dies ist einer der vielen Vorteile eines Gefängnisses, das nur politischen Gefangenen vorbehalten ist: die immense Solidarität.

Geräucherte Schweinefilets ohne Knochen waren in der DDR sehr selten. So gutes Fleisch bekam man nur durch die Hintertür beim Metzger. Meine Eltern schafften es, mir einmal im Monat mit meinen Care-Paketen so ein tolles Essen zu besorgen. Eine willkommene Abwechslung zum verdorbenen Gefängnisessen.

Matthias hat seit Monaten keinen Besuch mehr gehabt.

Seine Eltern starben, als er noch jung war.

Seine Grossmutter leidet an Arthritis.


Als er einen Freund in München anrief, um sich als Familie über die Grenze schmuggeln zu lassen, wartete die Stasi schon.

Seine Frau wurde am selben Tag verhaftet und hat die gleiche Zeit, 22 Monate, im Gefängnis verbracht, ausgerechnet in Hoheneck: HÖLLE.

Ihr sechsjähriger Sohn scheint in einem staatlichen Heim zu sein, aber sie haben nur Gerüchte gehört und keinen Kontakt.

Matthias ist ruhig und weint oft nachts.

Niemand spricht darüber, aber wir alle leiden mit ihm.

"Du bist jetzt mein 'Spanner' Matthias, hier ist die Hälfte meiner Sachen."

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

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