Wie Du mir, so ich Dir
Stasi Haft 4. Juni 1986
Ich bin wirklich verblüfft.
Ein weiterer Transporttag.
Zwei weitere Kameraden gehen.
Beide mit weniger als 2/3 ihrer Strafe.
Beide insgesamt weniger als ein Jahr.
Neulinge.
Toll für sie.
Ich freue mich für sie.
Trotzdem ergibt die Sache für mich keinen Sinn.
Ich glaube, ich habe mich klar genug ausgedrückt.
Es muss genug Munition für die Anwälte da draussen geben.
Der Job meines Vaters mit einigen Sonderreisen in westliche Länder?
Er ist ein Messebauer, verdammt noch mal, und die halten sie bei jedem Schritt an der Leine.
Oder wollen sie einfach ein Signal in mein Netzwerk senden, damit andere vor ähnlichen Aktionen zurückschrecken?
Ich müsste noch neun Wochen absitzen.
Darüber kann ich nicht schlafen.
Es ist noch Zeit.
Ich weigere mich, für die Freilassung nach Hause zu planen.
Ich werde nicht nach Leipzig zurückkehren, auch wenn meine Eltern dafür töten würden, dass ich zurückkomme.
Ich plane stattdessen Aktionen hier direkt vor dem Gefängnistor gleich nach der Entlassung. Das hält mich lebendig und wach.
Hintergrund Entwicklungen von denen ich währenddessen keine Kenntnis hatte: Die Stasi ist besorgt.
*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.