Wieder eine Ankunft

Stasi Gefängnis 17. Juli 1986

Der Wagen hält an.

Es ist schon weit mehr als eine Stunde vergangen.

Ich habe nur die ersten 15 Minuten gezählt, dann zweimal, verdoppelt, also sind wir eine Stunde unterwegs.

Träume, die näher rücken mit zurückgelegter Distanz.

Diese Reise war unerträglich anstrengend.

Die Tür öffnet sich.

Zwei Wachen draussen.

"Wo sind wir?"

"JVA Kassberg".

Stasi-Gefängnis Kassberg (in einem Viertel im ehemaligen Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz). Trakt A beherbergte politische Häftlinge, Trakt B diese politischen Häftlinge, die von der westdeutschen Regierung gegen Lösegeld bearbeitet wurden, Trakt C war eine Reserve.

Das ist es.

Ich habe es geschafft!

Die letzte Etappe.

Sie schieben mich hinein.

Heruntergekommen wie alle ihre Gefängnisse.

Neue Kleidung und eine neue Zelle mit 5 Häftlingen.

"Ist das ein Traum?"

"Du hast es geschafft, Kumpel!"

"4-5 Tage und du bist weg"

Ich kann es immer noch nicht glauben.

Alle kichern und schäumen vor Freude.

Es werden Pläne gemacht und ausgetauscht, Geschichten erzählt, die Nacht wird zum Tag.

Einige sind seit gestern hier, andere schon etwas länger.

"Es dauert 4-5 Tage und dann holt dich der Bus ab."

"Direktes One-Way-Ticket in die Freiheit, Alter."

 

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.