Freudenlähmung

Stasi Gefängnis 17. Juli 1986

Was für ein Tag.

Welche Aufregung.

Das ist wirklich passiert.

 

Ein kurzes Gespräch mit einem Beamten.

Nicht freundlich, aber korrekt.

Eigentlich Routine.

 

Ich werde morgen eine Reihe von Beamten sehen.

Papierkram und rechtliche Verfahren.

Medizinische Untersuchung am Dienstag.

Stasi-Gefängnis Kassberg Karl-MarxStadt, innen

Das Stasi-Gefängnis Kassberg Karl-MarxStadt von innen. Ein Foto, das nach der Renovierung zur Gedenkstätte aufgenommen wurde.

Mehr wollte er mir nicht sagen.

Ich gehe davon aus, dass ich Mitte nächster Woche abreisen werde.

Ich kann immer noch kaum begreifen, was da passiert.

 

Die neuen Kameraden zu sehen und die Aufregung zu spüren, ist wirklich eine neue Welt.

Wie wird mein Leben in den nächsten Wochen und Monaten aussehen?

Wie wird es sein, endlich wieder die Sonne zu sehen?

 

Das Essen ist nicht viel besser, aber nicht schlecht.

"Sie wollen uns vor der Entlassung mästen."

Ich habe nicht viel gegessen, weil ich viel zu aufgeregt bin.

 

Anscheinend werden wir all unser Geld bekommen, das wir durch die Arbeit in ihren Fabriken "verdient" haben.

Es gibt einen Laden mit normalen Waren, wo wir alles ausgeben müssen.

Es kann nicht auf die Eltern übertragen werden, Gefängnisgeld.

 

Wann werden meine Familie und Freunde davon erfahren?

Ich schätze, nicht bevor ich lange weg bin.

Das war der beste Tag.

 

Erschöpft von der Angst, schockiert und überrascht.

Gelähmt durch die ständige Freude.

Ein ungewöhnliches Gefühl.

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

https://jens.thie.me
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