Anklageschrift

Stasi Haft 30. Mai 1985

Das ging aber schnell!

Anklageschrift.

Gleich am nächsten Tag!

Kopie aus meiner Stasi-Akte. Nur 24 Stunden nachdem die Staatsanwaltschaft dokumentiert hatte, dass der §219 nicht weiter verfolgt wird, wurde die Anklageschrift nach §214 Strafgesetzbuch der DDR erlassen.

Die müssen mich hier hassen.

Oder sie schaffen Platz für mehr Leute.

Bei diesem Tempo wird das Land nächstes Jahr leer sein.


§214!

Genau das.

Grosse Erleichterung!

So viele Fragen jetzt!

Wie hoch wird die Strafe sein?

Wo werden sie mich ins Gefängnis stecken?

Werde ich zu den Glücklichen gehören, die vom Westen freigekauft werden?

Aber jetzt muss ich mich erst einmal auf die Verhandlung im nächsten Monat konzentrieren.

Weitere 4 Wochen - aber ob das überhaupt eine Rolle spielt?

Es ist blöd, dass ich es meinen Eltern nicht sagen kann, vor allem, nachdem Papa gerade zu Besuch war.

Sie werden es aus den offiziellen Dokumenten erfahren.

Oder aus meinem nächsten Brief.

"Werden meine Eltern da sein?"

"Der Prozess wird nicht öffentlich sein."

Natürlich nicht!

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.
Jens Thieme

Playing hard, living loud, moving around fast, resting deep and enjoying it all.

https://jens.thie.me
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